Warum?


Johannes Grützke: A. Böcklin, J. J. Bachofen, J. Burckhardt und
F. Nietzsche auf der Mittleren Rheinbrücke in Basel, 1970
(Progressives Museum Basel)
Anm. d. Red.
Der Mutterrechtsforscher Johann Jakob Bachofen kann eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Architekten Ludwig Mies van der Rohe nicht leugnen.

Wir wollen sie die historischen Menschen nennen; der Blick in die Vergangenheit drängt sie zur Zukunft hin...“.
Friedrich Nietzsche 1874

„Baukunst ist immer raumgefasster Zeitwille“.
Ludwig Mies van der Rohe 1923

WCT Philosophie: Das Stadt-Reise-Programm von WCT betrifft mit Basel einen geographischen und politischen Raum in Mitteleuropa, wo der Rhein elegant und konsequent seinen Lauf um 90 Grad ändert und nach Norden in Richtung Strassburg, Mainz, Köln, Utrecht und der Nordsee fliesst.

Die ersten Stämme am Ober- oder Hochrhein waren Kelten oder Rauriker, dann kamen Römer, Alemannen und dann das Christentum (das Kaisergeschlecht der Staufer hat seine Hausburg am Oberrhein). Die drei Nationen, zu denen das Territorium heute gehört, sind gemessen an seiner Kulturgeschichte noch nicht alt. Und das Dreieck zwischen den südöstlichen Vogesen in Frankreich, dem südwestlichen Schwarzwald in Deutschland und dem nördöstlichen Jura in der Schweiz stellt in allen drei Ländern eine klimatologische Ausnahme dar. Denn die Gegend südlich von Freiburg im Breisgau hat in Deutschland die höchste Jahres-Durchschmitts-Temperatur, und in der Nordwestschweiz werden häufig an Wintertagen identische Aussentemperaturen wie im Tessin oder Mailand gemessen.

Da sich Basel als urbane Communitas ungern in den Streit der Territorial- und Grossmächte ziehen liess, blieb man von Kriegen häufig verschont und war für Friedensschlüsse interessant (1499, 1795). Zudem beherbergte man das zweitlängste Konzil der christlichen Kirchengeschichte (1431-1448), besitzt einen der weltweit grössten Chemiekomplexe und ist gerade dabei, die Augen der architekturinteressierten Welt immer magischer auf sich zu ziehen.

Städte wie Paris, Mailand und München spannen für die Landschaft am Schnittpunkt von Ober- und Hochrhein ein geographisches Dreieck auf. Dies spiegelt sich in den Kathedralen von Strassburg, Freiburg und Basel. Und dieses Dreieck taucht auch in der modernen Architekturgeschichte auf. 1928 wurde der mächtige Stahlbetonbau des Goetheanums in Dornach nach Planungen von Rudolf Steiner bezogen. 1954 weihte man im etwas entfernteren Ronchamp die Kirche Notre-Dame du-Haut von Le Corbusier und 1989 wurde das erste Haus des Nordamerikaners Frank O. Gehry auf europäischem Boden in Weil am Rhein an den Bauherrn übergeben. Alle diese Bauten repräsentieren eine Architektur des Ausdrucks und der Bewegung. Dornach und Weil am Rhein liegen heute im trinationalen Stadtraum von Basel (CH/D/F). Und der Umbruch ins 21. Jahrhundert zeigt sich daran, dass man inzwischen auch von einer bipolitischen Stadt (Europäische Union/Schweiz) am südlichen Ende der grossen Rheinebene sprechen kann.

Die Eleganz, mit der der Rhein in Basel seine Richtung ändert, hat der Flusslandschaft den geographischen Namen eines „Rheinknies“ gegeben. Dabei dachten die Geographen kaum an Liz Taylor, Coco Chanel oder Sophia Loren, aber sie dichteten erotisch. Und von der Architektur über die Kleidung, die Küche oder die Fussball- und Autokultur wimmelt es heute in der Stadt von Italianità. Und die starke Anbindung an das heutige Italien und insbesondere Rom, Mailand, Neapel, die Lombardei, das Piemont und die Toscana geht bis auf das Jahr 44 v. Chr. zurück (Gründung der Römischen Kolonie Augusta Raurica). Aus dem Basler Konzil ging die Universität als Stiftung von Papst Pius II. (1460) hervor und die Stadt beherbergte vor der Einführung der Reformation (1529) sechzehn Klöster. Für den Basler Jacob Burckhardt, der mit dem Florentiner Giorgio Vasari und dem in Rom lebenden, bei Potsdam geborenen, Johann Joachim Winckelmann zum Begründer der modernen Kunst- und Kulturgeschichte wurde, war Italien das überwältigende Kunsterlebnis. Sein Reiseführer „Der Cicerone“ (1855) ist vielfach überholt aber unübertroffen. Die Fondation Beyeler (1992-2000) in Riehen, die der genuesische Architekt Renzo Piano baute, ist eines der weltweit wichtigsten Häuser dieser Bautypologie. Für die Firma Novartis entwarf das Mailänder Studio di Architettura von Vittorio Magnago Lampugnani den Masterplan für einen neuen Campus  (2000/2001), der seit 2003 im Bau ist. In US-amerikanischer Manier könnte man mit mehr als 30 Tausend italienischen Staatsbürgern (im CH-Stadtraum) von einem „Little Italy“ sprechen.

Kann man den Besuch in einer Stadt, über welcher die europäische Geschichte zentnerschwer zu schweben scheint, geniessen? Man kann. Aber, es ist ein wenig wie in Venedig, Porto oder Prag. Frau oder Mann sollte die Bereitschaft zu einer aktiven Freizeitgestaltung haben. Getreu den Worten des Münchner Kabarettisten und Schauspielers Carl Valentin „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“.

Literaturhinweis: Lionel Gossman: Basel in der Zeit Jacob Burckhardts. Eine Stadt und vier unzeitgemässe Denker. Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Reinhard Brenneke und Barbara von Reibnitz, Basel 2005 ISBN 3-7965-2157-6